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Missbrauch Sexualtherapie- Fragen, Ablauf, Behandlung, Theorie

Was ist sexueller Missbrauch von Kindern?

Missbrauch: Nach einer Studie von Cécile Ernst aus dem Jahr 2005 bejahen im deutschsprachigen Sprachraum circa 10-15 % der befragten Frauen und 5% der befragten Männer, bis zum Alter von 14 oder 16 Jahren „mindestens einen unerwünschten oder durch die ‚moralische‘ Übermacht einer deutlich älteren Person oder durch Gewalt erzwungenen sexuellen Körperkontakt“ erlebt zu haben. Dabei finden 20% der Übergriffe finden durch Frauen als Täterinnen statt. Die Dunkelziffer ist sehr hoch.

Sexueller Missbrauch von Kindern kennt keine sozialen Grenzen: Kinder von Akademikern sind nicht weniger betroffen als Arbeiterkinder.

Sexueller Missbrauch von Kindern ist also kein Randphänomen der Gesellschaft, sondern ein Thema, dass mehr oder weniger jeden angeht, sei es, dass er/sie in der eigenen Kindheit selbst betroffen war, sei es, dass Täterinnen oder Betroffene zum eigenen Bekanntenkreis gehören.

Was ist sexueller Missbrauch von Kindern?

Sexueller Kindesmissbrauch liegt aus psychotherapeutischer Sicht vor, wenn ein erwachsener Mensch (Mann oder Frau)

  • ein Kind dazu nutzt, sich sexuell zu erregen (mit oder ohne Körperkontakt bzw. mit oder ohne körperlichem Sexualverkehr),
  • die Intimbereiche eines Kindes berührt,
  • ein Kind dazu auffordert, ihn/sie sexuell zu stimulieren,
  • in Gegenwart eines Kindes pornografische Bilder/Filme anschaut oder herstellt
  • ein Kind dazu zwingt oder überredet, Zeuge von sexuellen Handlungen zu werden
  • ein Kind dazu zwingt oder überredet, ihn oder sie nackt zu betrachten

Angebliche Einvernehmlichkeit, die von Tätern/Täterinnen als Entschuldigung vorgebracht wird, gibt es nicht.Jede der oben genannten Handlungen ist sexueller Kindesmissbrauch. Kindesmissbrauch beginnt nicht erst bei der körperlichen Vergewaltigung.

Jede Handlung eines Täters bzw. einer Täterin in Gegenwart eines Kindes, die der eigenen sexuellen Stimulierung dient, ist sexueller Kindesmissbrauch, auch dann, wenn die strafrechtliche Relevanz nicht nachweisbar ist. Das beginnt bereits bei vermeintlich harmlosen verbalen Anzüglichkeiten in Gegenwart eines Kindes, bei denen der Täter/die Täterin die mögliche Beschämung oder Irritation des Kindes sexuell genießt.

Das Alarmkriterium ist die Sexualisierung der Beziehung zwischen dem Erwachsenen und dem Kind. Es ist grundsätzlich die Aufgabe des Erwachsenen, eine solche Sexualisierung des Verhältnisses gar nicht erst entstehen zu lassen. Schutzbehauptungen wie: „Die sexuelle Initiative kam von Seiten des Kindes.“ oder „Das Kind hat die sexuelle Dimension in unserer Beziehung doch selbst genossen.“ sind typisch für Täter (und Täterinnen) und können niemals als Entschuldigung gelten.

Sexueller Kindesmissbrauch-
ein Aufgabenfeld für die Sexualtherapie

Für die Sexualtherapie stellen sich mehrere Aufgaben:

  • bei Tätern und Täterinnen: Präventionstraining bei potentiellen Tätern/Täterinnen. Therapie und Nachsorge, auch begleitend zu den strafrechtlichen Konsequenzen der Tat,
  • bei den Opfern: Aufarbeitung belastender Erinnerungen, Hilfestellung beim Umgang mit Sexualität in der Gegenwart; insbesondere bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung, die das Trauma Miussbrauch ausgelöst hat (z.B. PTBS). Weitere Infos
  • bei Angehörigen/PartnerInnen von Opfern: Förderung des Verständnisses für die spezifischen Probleme des Menschen, der den sexuellen Übergriff erfahren musste

Therapeutische Möglichkeiten
für Täterinnen und Täter

© M.Petery.
Täter und Täterinnen, deren Tun noch nicht ihm Rahmen einer strafrechtlichen Aufarbeitung therapeutische Hilfe bekommen, haben die Möglichkeit, sich an Therapeuten zu wenden, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, wie sie nicht rückfällig werden. In extremen Fällen gehört dazu auch eine intensive psychiatrische Begleitung.

Menschen mit vermuteter pädophiler Veranlagung können schon im Vorfeld möglicher eigener Übergriffigkeit gegenüber Kindern gemeinsam mit einem Therapeuten daran arbeiten, dass es überhaupt nicht erst zur Tat kommt. Es ist auf jeden Fall sehr sinnvoll, hier aktiv und präventiv zu handeln. Interessante Informationen gibt es beim Netzwerk „Kein Täter werden“.

Therapeutische Möglichkeiten
für Betroffene

Wenn bekannt ist, dass ein Kind Opfer einer sexuellen Misshandlung geworden ist, sollte ein Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut hinzugezogen werden, um zu prüfen, ob ggf. therapeutische Massnahmen zur Verarbeitung des Erlebten angezeigt sind.

Erwachsene mit Missbrauchserfahrung in der eigenen Kindheit sollten bedenken: Viele aktuelle psychische Probleme, die sie selbst möglicherweise gar nicht mit der Missbrauchserfahrung in Verbindung bringen, können mit diesem Erlebnis zusammenhängen, wie z.B. depressive Erkrankungen, Angststörungen, sexuelle Funktionsstörungen, Essstörungen etc.

Es ist wichtig, behandelnde Ärzte und Psychotherapeuten auf die Missbrauchserfahrung hinzuweisen, um eine Therapieform zu wählen, die neben den Symptomen auch die mögliche Wurzel Missbrauchserfahrung behandelt. Hier kann ggf. eine Traumatherapie sehr hilfreich sein.

Therapeutische Möglichkeiten
für Angehörige

Sexueller Missbrauch von Kindern findet oft im Rahmen der engeren Familie statt, also auch durch Väter, Mütter, Großeltern. Wenn Kindesmissbrauch in einer Familie geschehen ist, kann es sinnvoll sein, familientherapeutisch daran zu arbeiten, vor allem auch, um zukünftige Strategien zu entwickeln, das Kind nicht nochmals einer solchen Erfahrung auszusetzen und den Täter bzw. die Täterin vor sich selbst zu schützen.

Wenn sich in einer Partnerschaft herausstellt, dass einer oder beide Partner in ihrer Kindheit Missbrauchserfahrungen erleiden mussten, kann es sehr sinnvoll sein, darüber in einer Paartherapie zu sprechen. Viele aktuelle Probleme haben möglicherweise gar nichts mit der Gegenwart und dem Verhalten oder Fehlverhalten des eigenen Partners zu tun. Das Wissen um die Verletzungen des anderen in der Kindheit kann dazu beitragen, miteinander mit den Lasten aus der Vergangenheit besser umzugehen und gemeinsam in der Partnerschaft mehr Lebensqualität zu gewinnen.
© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

PS: Vgl. zum Thema auch die Artikel

Warum ist Sex für Kinder schädlich?

Missbrauch und Trauma
Folgen von Kindesmissbrauch
Was ist alles sexueller Missbrauch von Kindern?
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