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Zu schüchtern für eine Beziehung?

Zu schüchtern zum Küssen- lässt sie mich deswegen fallen? 

Ich bin 22 Jahre und hatte noch nie eine Freundin. Mein Problem ist, dass ich generell Schwierigkeiten habe, mich auf andere Leute einzulassen.

Schon in der Schule bin ich von meinen Klassenkameraden gemobbt worden und war ein ziemlicher Einzelgänger- allerdings, ohne es sein zu wollen. Selbst wenn mir dann mal jemand etwas Nettes gesagt hat, wusste ich nie, ob das echt gemeint war oder nur als Verarschung.

Immer hatte ich das Gefühl, dass die anderen über mich tuscheln und blöde Bemerkungen machen. Die paar Versuche, die ich gemacht habe, um mit einem Mädchen ins Gespräch zu kommen, endeten immer mit einer Zurückweisung. Allmählich glaube ich, dass mich niemand mag, und wenn ich überhaupt etwas Nettes höre, dann nur aus Mitleid.

Mittlerweile studiere ich, aber auch an der Uni hat sich erstmal nicht viel geändert. Im Hörsaal bin ich immer allein dagesessen, auch in den Seminaren hat sich kein richtiger Kontakt entwickelt.

Zu schüchtern-
Ein Mädchen als neues Problem

Was aber komisch ist, dass ich vor zwei Monaten an der Uni jetzt doch ein Mädchen kennengelernt habe. Sie ist sogar ausgesprochen hübsch und sehr nett. Wir lernen jeden Nachmittag miteinander, sind auch schon gemeinsam Essen gegangen und waren im Kino.

Neulich hat sie mir zum Abschied sogar einen Kuss auf die Wange gegeben und gemeint, sie fände es nett, wen ich sie das nächste Mal auch mit einem Kuss begrüßen würde. Ich war da ziemlich perplex und bin auch etwas zurückgeschreckt. Auf jeden Fall habe ich es nicht geschafft, sie beim nächsten Mal zu küssen, sondern habe sie nur einfach mit Hallo begrüßt- und sie hat das auch auf sich beruhe lassen.

Dafür waren wir jetzt an einem Nachmittag gemeinsam zu Besuch bei Ihren Eltern, wo sie mich als ihren Freund vorgestellt hat. Die Eltern waren übrigens sehr nett zu mir. Am Tag darauf haben wir uns wieder getroffen zu einem Wanderausflug, und sie hat mir gesagt, dass sie es total schön mit mir findet und dass ich sehr nett bin. Aus mir kam dann nichts mehr heraus außer ein Danke, und dass es mir mit ihr zusammen auch sehr gut gefällt. Und das stimmt zu 100%. Ich mag sie wirklich sehr gern.

Und trotzdem:
Ich weiß jetzt irgendwie gar nicht mehr, wie das weitergehen soll. Ich kann einfach auf Ihre Annäherungsversuche nicht richtig reagieren. Irgendwie habe ich auch schon wieder das Gefühl, dass sie das alles nur aus Mitleid macht, eine Zeit lang, und mich dann fallen lässt.

Patrick F. (Name geändert)

Wie reagiere ich auf einen Kuss?

Hallo Patrick,

In Ihrer Schulzeit waren Sie in Ihrer Klasse ein Außenseiter und haben keine Freundin gefunden. So ging das auch an der Uni weiter, bis jetzt ein hübsches Mädchen auf Sie zugegangen ist, Sie auf die Wange geküsst hat und offensichtlich noch mehr von Ihnen will. Sie wissen nicht, wie Sie reagieren sollen und haben Angst, sie täte das alles nur aus Mitleid und Sie könnten sie schon bald wieder verlieren.

Zu schüchtern-
Katastophisierende Gedanken

Das Problem besteht offenbar vor allem in Ihrem Kopf. Egal, wie es Ihnen früher in Ihrer Schulzeit ergangen ist: Jetzt haben Sie ein Mädchen, mit dem Sie täglich zusammen sind, schöne Ausflüge unternehmen können und das von Ihnen einen Kuss bekommen möchte.

Ihre Schüchternheit ist dabei gar nicht so sehr das Problem: Denn ganz offensichtlich mag Ihre Freundin Sie genau so, wie Sie sind. Und dass Sie eher schüchtern sind, hat sie schon längst mitbekommen. Im Prinzip sind Sie also am Ziel Ihrer Wünsche, ohne dass Ihnen Ihre Schüchternheit dabei geschadet hätte.

Das eigentliche Problem, das Sie jetzt quält, sind Ihre eigenen Gedanken, die Sie daran hindern, Ihr Glück zu genießen und die Beziehung zu Ihrer Freundin weiter zu vertiefen.

Aus psychologischer Sicht sind das katastrophisierende Gedanken: Statt sich vorzustellen, dass Sie jetzt am Beginn einer wunderbaren Freundschaft stehen, dreht sich das Gedankenkarussell und Sie stellen sich vor, dass das Mädchen sich nur aus Mitleid Ihnen zugewandt hat und sie bald schon wieder fallen lässt.

Wenn diese negativen Gedanken jetzt schon länger als 14 Tage anhalten, dann leiden Sie aus therapeutischer Sicht an einer Zwangsstörung, die sich in Zwangsgedanken äußert.

Zu schüchtern-
Anzeichen einer Depression?

Um hier wieder herauszukommen, ist es mit Sicherheit sinnvoll, sich an einen Therapeuten zu wenden. Im therapeutischen Gespräch wäre zusätzlich zu prüfen, ob Sie außer an Zwangsgedanken möglicherweise auch an einer Depression erkrankt sind, die dazu geführt hat, dass Sie Ihren eigenen Selbstwert sehr niedig ansetzen.

Zwangsgedanken treten häufig in Verbindung mit einer Depression auf. Bei einer Depression handelt es sich nicht einfach nur um eine psychische Verstimmung, sondern um eine Störung biochemischer Prozesse im Gehirn, die unbedingt durch einen Spezialisten behandelt werden muss.

Gerade, weil Sie jetzt eine Frau kennengelernt haben, mit der eine wunderbare Zeit der Gemeinsamkeit beginnen könnte, ist es wichtig, dass Sie jetzt Ihre Probleme aktiv angehen und gemeinsam mit einem Therapeuten nach Lösungswegen suchen. Es wäre schade, diese Möglichkeit zu einer netten Beziehung verstreichen zu lassen, ohne hier nicht alles versucht zu haben, um gegen die störenden negativen Gedanken anzukämpfen.

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© M.Petery

Wenn Sie möchten, können Sie sich mit weiteren Fragen gern an mich wenden.

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

PS: Zwangsgedanken und Sexualität

Zwangsgedanken kommen auf sexuellem Gebiet sehr häufig vor. Das können, wie im vorliegenden Fall katastrophisierende Gedanken darüber sein, dass der Partner bzw. die Partnerin einen schon bald verlassen wird- ohne dass es dafür in der Wirklichkeit irgendwelche tatsächlichen Hinweise gibt.

Das kann auch umgekehrt die quälende Angst sein, man selber könnte plötzlich nichts mehr für seine/n Partner/in empfinden- und das, obwohl im Augenblick in der Partnerschaft alles in Ordnung ist.

Bei (heterosexuellen) Männern findet sich außerdem sehr häufig der Zwangsgedanke, „eigentlich“ homosexuell und damit unfähig zur Partnerschaft mit einer Frau zu sein. Vgl. den Beitrag Homosexuelle Zwangsgedanken.

Weitere Infos: Sexuelle Zwangsgedanken- wie wird man sie los?