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Probleme in der Partnerschaft RTL- Let´s talk about Sex- Radiointerviews

Klischees über Frauen – Interview mit Dr. Michael Petery

Interview mit Dr. Michael Petery
in der Sendung Let´s talk about Sex bei Radio 89.0 RTL

Beispiele für Klischees über Frauen sind: Sie können zwischen Sex und Liebe nicht trennen, interpretieren überall etwas hinein…

Klischees über Frauen:
Wie entstehen solche Klischees?

Klischees über Frauen:
Nr.1: Frauen wollen nach dem Sex kuscheln, Männer nicht – warum?

Zuerst vorab als die Vorbemerkung: Alle Menschen sind unterschiedlich, Männer genauso wie Frauen.

Das heißt: Natürlich kann es auch Männer geben, die nach dem Sex kuscheln wollen und Frauen, die das nicht mögen. Und beides ist vollkommen normal.

Allerdings stimmt, dass bei Männern und Frauen die Erregungskurve beim Sex unterschiedlich verläuft- was auf den ersten Blick als Hindernis für gleichberechtigte Sexualität ercheint.. Bei Männern setzt nach dem Orgasmus schon nach wenigen Sekunden die sogenannte Refraktärphase ein, also die Phase des Rückgangs der sexuellen Erregung. In dieser Phase ist der Mann eine Zeit lang zu sexueller Erregung nicht fähig. Manchen Männern wird es dann sogar zu viel, weiter im Bett liegenzubleiben und mit der Partnerin zu kuscheln.

Frauen dagegen haben körperlich die Möglichkeit zu mehreren Orgasmen hintereinander. Sie können eine viel längere Zeit sexuell erregt bleiben. Es kommt bei mir bei Paartherapien immer wieder vor, dass Frauen enttäuscht davon berichten, dass ihre Männer sehr schnell mit dem Sex fertig sind, während sie eigentlich noch weitermachen könnten.

Mein Tipp ist, sich gemeinsam insgesamt viel mehr Zeit zu lassen- und als Mann ruhig einmal nachzufragen, ob die Frau nicht doch noch einen weiteren Orgasmus haben will. Das muss dann gar nicht unbedingt im Koitus sein- das kann dann auch durch Selbstbefriedigung der Frau passieren. Denn auch nebeneinander Sex zu haben ist eine Form des gemeinsamen Sex!

Klischees über Frauen:
Nr.2: Frauen können Sex und Liebe meist nicht trennen – warum?

Auch das ist eine sehr pauschale Zuschreibung. Natürlich gibt es Männer, für die Sex ohne Liebe nicht vorstellbar ist und es gibt Frauen, die beides trennen und hin und wieder einfach bloß Sex haben wollen.

Trotzdem gibt es Unterschiede zwischen Mann und Frau, die möglicherweise durch die Entwicklungsgeschichte des Menschen erklärbar sind. Amerikanische Forscher wie Irwin Silverman haben darauf hingewiesen, dass die unterschiedlichen Aufgabenbereiche in der Urhorde eine unterschiedliche Organisation des Gehirns bei Männern und bei Frauen begünstigt haben. Männer sind demnach mehr die „Jäger“, die auf schnelle Beute aus sind, Frauen eher „Sammlerinnen“, welche die Vorräte sorgfältig verwalten.

Demnach scheint die reine Lust am Sex ohne Liebe genetisch vor allem ein Interesse von Männern zu sein, die ihren Samen möglichst breit unter viele Frauen verteilen möchten.(Was modern auch heißen kann, sich virtuell mit zahlreichen Porno-Film-Frauen zu befriedigen.)

Bei Frauen ist Sex entwicklungsgeschichtlich dagegen immer auch mit Schwangerschaft und Kinderkriegen verbunden. So gesehen, ist es für Frauen wichtig, Sexualpartner zu finden, die nicht nur ihren Trieb abarbeiten wollen, sondern bereit sind, liebevoll für die Beziehung und auch den möglichen Nachwuchs einzustehen.

Heute haben sich Frauen durch moderne Verhütungsmittel aus dieser Zwangslage weitgehend befreit und können Sex auch pur und ohne Fortpflanzungsabsicht genießen. Trotzdem bleibt an dieser stammesgeschichtlichen Ausrichtung der Geschlechterrollen immer noch etwas dran.

In einer Partnerschaft ist es in jedem Fall eine etwas merkwürdige Idee, Sex und Liebe voneinander trennen zu wollen… Meiner Meinung nach gehört es zu einer funktionierenden Partnerschaft unbedingt hinzu, dass beide Partner nicht nur durch Sex, sondern auch durch Liebe miteinander verbunden sind und dass beide je nach ihren eigenen Bedürfnissen dazu auch noch sexuell die Befriedigung finden, die sie jeweils brauchen.

Trennung von Sex und Liebe wäre also eher ein Thema für One-Night-Stands als für die Partnerschaft.

Klischees über Frauen:
Nr.3: Warum interpretieren Frauen gern „in alles etwas rein“?

Das ist schon ein ziemlich heftiger Satz. Ich selbst kenne ihn vor allem von Männern in der Paartherapie, wenn sie ihrer Partnerin einfach nicht zuhören wollen.

Dann ist das die argumentative Superkeule: „Ihr Frauen interpretiert ja gern in alles etwas hinein.“ Und weil das nun einmal generell so ist, brauche ich als Mann mich auf keine weitere Diskussion mehr einzulassen.

Das Argument funktioniert natürlich auch mit umgekehrter Geschlechterverteilung. Auch die Frau kann zu ihrem Partner sagen: „Du interpretierst da in alles immer etwas rein.“

Und schon ist ein ernsthaftes Gespräch auf Augenhöhe nicht mehr möglich. Der oder die andere wird danach kaum noch Lust haben, Punkte in der Partnerschaft anzusprechen, die ihm gerade eben noch sehr wichtig waren.

Das Beispiel zeigt, wie gefährlich solche allgemeinen Zuschreibungen im Bereich der Psychologie sein können. Also: Vorsicht mit Sätzen an meinen Partner, die so ähnlich klingen wie: „Das ist doch bei allen Männern bzw. Frauen immer so!“

Viel besser, als das Gespräch mit einem solchen Dampfhammer abzubrechen, ist es, kurz innezuhalten und darüber nachzudenken, warum dem anderen das so wichtig ist, was er mir da sagen will. Und dann kann ich immer noch mit ihr oder ihm darüber weiterdiskutieren, ob der andere mit seinen Vermutungen recht hat oder nicht.

Und sollte ein solches Gespräch nicht möglich sein- dann wäre wohl definitiv der Zeitpunkt gekommen. um im Rahmen einer Paartherapie mit Schwerpunkt Sexualtherapie wieder an einem neuen Miteinander zu arbeiten.

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Wenn Sie dazu Fragen haben, können Sie sich gern an mich wenden.

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery
Klischees über Frauen

PS:
Vgl. auch das Interview Klischees über Männer

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Zwangsstörung und Zwangsgedanken

Sexuelle Zwangsgedanken – wie wird man sie los?

Sexuelle Zwangsgedanken-
wenn Fantasien zur Qual werden

Menschen denken häufig an Sex: nach einer Studie der Ohio State University aus dem Jahr 2011 denken Männer tagsüber durchschnittlich etwa alle 30 min einmal an Sex, Frauen ungefähr alle 60 min (was übrigens ungefähr der Häufigkeit entspricht, mit der wir an Essen und Trinken denken).

Sexuelle Zwangsgedanken
erkennen und richtig einordnen

Die meisten Menschen empfinden sexuelle Gedanken als angenehm. Und aus Sicht der Sexualtherapie ist ein solches regelmäßiges Denken an Sex bzw. Essen sogar ein Zeichen psychischer Gesundheit und Selbst-Achtsamkeit. Gesund ist ein Mensch, der auf seine Bedürfnisse achtet- fehlende Selbst-Achtsamkeit macht krank.

Wo liegt also die Grenze zwischen gesunden Gedanken an Sex und sexuellen Zwangsgedanken? Die Häufigkeit, mit der ein Mensch an Sex denket, ist für sich allein KEIN Kriterium dafür, dass sexuelle Zwangsgedanken vorliegen.

Was genau sind eigentlich
sexuelle Zwangsgedanken?

Nach der ICD-10, dem Krankheitenkatalog der Weltgesundheitsorganisation, müssen folgende Bedingungen vorliegen, damit es sich bei solchen Gedanken tatsächlich um ZWANGS-Gedanken handelt:

  • Die Gedanken werden als zur eigenen Person gehörig erlebt.
  • Die Gedanken sind nicht angenehm.
  • Die Gedanken wiederholen sich fortwährend und dauern zeitlich mindestens 2 Wochen an (bis hin zu Jahren).
  • Versuche, dieses Denkkarussell zu durchbrechen, sind meist erfolglos.

Zwangsstörungen sind für die Betroffenen eine große Belastung. Ca. 2-3 Prozent der Bevölkerung sind in ihrem Leben von Zwangsstörungen betroffen.

Die Erkrankung beginnt oft schon in der Pubertät. Verschlimmerungen können schubweise durch besondere Lebensumstände ausgelöst werden, z.B. Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit.

Die Ursache der Erkrankung liegt nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen meist sowohl an einer Störung des Hirnstoffwechsels (also einer rein körperliche Ursache, die mit Medikamenten behandelt werden kann) als auch in eingeübten Gedankenmustern, die eine psychotherapeutische Behandlung erfordern. Die Lebensqualität kann bei manchen Menschen so sehr darunter leiden, dass Suizidrisiko besteht.

Deshalb ist eine Zwangsstörung als Krankheit immer sehr ernst zu nehmen. Eine ärztliche oder therapeutische Behandlung ist unbedingt angebracht.

Was sind keine sexuelle Zwangsgedanken?

Keine sexuellen Zwangsgedanken sind gemäß obiger Definition der Weltgesundheitsorganisation:

  • Angenehme erotische Fantasien
    Auch wer sehr oft an Sex denkt, hat deswegen noch lange keine sexuellen Zwangsgedanken. Denn Häufigkeit allein ist kein Kriterium für Zwangsgedanken. Damit ein sexueller Gedanken ein Zwangsgedanke ist, muss hinzukommen, dass dieser Gedanke als unangenehm erlebt wird. Im Extremfall sind demnach sogar sexuelle Gewaltfantasien dann keine Zwangsgedanken, wenn sie dem Denkenden Lust bereiten und ihn nicht selber bedrücken.
  • Vorübergehende unangenehme sexuelle Gedanken
    Unangenehme sexuelle Gedanken können aus eigenen Erlebnissen, aber auch aus einem Film oder einem Buch herrühren und einen durchaus einige Tage lang beschäftigen. Solange sich solche Gedanken aber nicht festsetzen und nicht mehr als zwei Wochen lang das Denken beschäftigen, handelt es sich nicht um Zwangsgedanken.
  • Leicht beängstigende sexuelle Fantasien, die Lust bereiten
    Auch leicht beängstigende sexuelle Fantasien (wie z.B. Fantasien von Gewalt, Fetisch oder Homosexualität) sind keine sexuellen Zwangsgedanken, wenn sie letztlich dazu dienen, die sexuelle Lust zu erhöhen. Ein Zwangsgedanke liegt nur dann vor, wenn der Gedanke in keiner Weise als angenehm empfunden wird (und auch nicht zur erotischen Selbststimulation dient).
  • Häufiger Pornokonsum
    Auch mehrmals täglicher Pornokonsum oder der Wunsch nach solchem hat mit dem Thema sexuelle Zwangsgedanken nichts zu tun, solange das betroffene Individuum darunter nicht leidet. Zu prüfen wäre nur, ob es sich um Pornosucht handeln könnte- was aber etwas anderes ist als Zwangsgedanken.

Beispiele für sexuelle Zwangsgedanken

Der Inhalt sexueller Zwangsgedanken kann individuell sehr unterschiedliche sein. In diesem Blog habe ich einige typische Fallbeispiele gesammelt:

  • Homosexuelle Zwangsgedanken (vgl. Fallbeispiel)
    Homosexuelle Zwangsgedanken liegen vor, wenn ein heterosexuell veranlagter Mensch regelmäßig und zwanghaft von dem Gedanken gequält wird, ob er denn möglicherweise homosexuell sein könnte.

     

    Kennzeichen dafür, dass es sich tatsächlich um Zwangsgedanken handelt, ist, dass diese Gedanken als unangenehm und unangebracht empfunden werden und keinerlei sexuelle Lust bereiten. Zu solchen homosexuellen Zwangsgedanken kann auch die Zwangshandlung hinzukommen, sich regelmäßig als „Selbsttest“ Schwulenpornos anzusehen- obleich das Ansehen keinerlei Lust erzeugt und möglicherweise sogar Ekelgefühle hervorruft.

    Aber Vorsicht vor einem zu schnellen Urteil:
    Wenn das Ansehen der Schwulenpornos zwar keine Lust erzeugt, aber auch nicht als unangenehm empfunden wird, ist es möglich, dass der Betroffene schlicht nur unsicher in seiner eigenen sexuellen Rollenfestlegung ist. Die ausbleibende Erregung bei Schwulenpornos hätte dann die Ursache in der Angst, sich selbst die eigene Homosxualität oder Bisexualität einzugestehen.

  • Ständige Eifersucht (vgl. Fallbeispiel)
    Ständige Eifersucht wegen mögicher sexueller Fehltritte des Partners (ohne dass dafür irgendwelche tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen), ist eine häufige Form sexueller Zwangsgedanken. Das kann soweit gehen, dass zwanghaft immer wieder ganze Szenarien über die fantasierte Untreue des Partners bzw. der Partnerin durchgedacht werden müssen.

     

    Hier handelt es sich eindeutig um sexuelle Zwangsgedanken, wenn
    1. diese Gedanken tatsächlich nur unangenehm sind (und nicht eine doch irgendwie verquere, aber lustbringende Fantasie)
    2. das Wissen da ist, dass diese Vorstellungen keinen Anlass in der Wirklichkeit haben (ansonsten wäre das eine Wahnvorstellung).

  • Weitere Beispiele

Was könnten unangenehme wiederkehrende
sexuelle Gedanken noch sein?

  • Angstbesetzte sexuelle Gedanken
    Viele sexuell erregende Fantasien sind angstbesetzt: dazu gehören insbesondere sexuelle Gewaltfantasien (z.B. eigenes Vergewaltigtwerden), aber auch homoerotische Fantasien bei Menschen, die sich selbst eigentlich als heterosexuell sehen wollen. Diese Fantasien sind durchaus angstbesetzt, haben aber letztlich einen eigentümlichen sexuellen Reiz.

     

    In solchen Fällen lohnt sich eine therapeutische Abklärung, inwieweit sich diese Fantasien auch ohne Angst als Quelle sexueller Lust oder zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit positiv nutzen lassen. Speziell bei schweren aktiven sexuellen Gewaltfantasien ist eine therapeutische Abklärung nötig, inwieweit hier die Gefahr besteht, dass der Betroffene zum tatsächlichen Täter wird und seine Fantasien irgendwann auch in der Realität ausleben muss.

  • Flashbacks und Intrusionen
    Unangenehme sexuelle Gedanken können Erinnerungssplitter von sexuellem Missbrauch und sexueller Misshandlung in der Kindheit oder nach einer Vergewaltigung sein. Oft entwickeln Opfer erst lange nach dem traumatisierenden Ereignis Symptome, die körperlicher Natur sein können (Zittern, Schweißausbruch etc.), aber auch als belastende Gedanken auftreten können: Erinnerungsfragmente, Alpträume, bedrohliche Fantasien…

     

    In solchen Fällen ist unbedingt der Weg zu einem kompetenten Therapueten erforderlich, der abklärt, ob eine PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) nach Missbrauch vorliegt. Vgl. dazu den ausführlichen Beitrag: Missbrauch und Trauma.

  • Nebensymptom einer Depression
    Grübelzwang und negative Gedanken sind oft Anzeichen für das vorliegen einer depressiven Erkrankung. Da eine spontane Heilung ohne ärztliche und/oder therapuetische Hilfe bei Depressionen eher unwahrscheinlich ist, lohnt sich bei sexuellen Zwangsgedanken auf jeden Fall der Weg zum Arzt oder Therapeuten- allein um das Risiko des Vorliegens einer unerkannten Depression auszuschließen bzw. bei einer Depressions-Diagnose die entsprechenden therapeutischen Möglichkeiten zu nutzen und sicherzustellen, dass sich die Symptome nicht immer weiter verschlechtern.

Sexuelle Zwangsgedanken:
Möglichkeiten der Therapie

Zwangsgedanken müssen nicht sein! Und schon gar nicht im Bereich der Sexualität, die so konstituierend für unser gesamtes menschliches Wohlbefinden ist.

Zwangsgedanken sind zwar für die Betroffenen kaum alleine und ohne Hilfe auflösbar- es gibt aber mittlerweile eine ganze reihe gut erforschter therapeutischer Verfahren (überwiegend aus dem bereich der Verhaltenstherapie), mit denen sich Zwangsgedanken schon in relativ weniger Sitzungen gut in den Griff bekommen lassen.

Das gilt auch für Zwangsgedanken auf sexuellem Gebiet. Es ist daher sinnvoll, sich nicht unnötig lange mit solchen Gedanken herumzuquälen, sondern sich kompetente therapeutische Hilfe zu holen.

Vgl. auch den Artikel:

HOCD (Homosexuelle Zwangsgedanken)

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Wenn Sie dazu weitere Fragen haben, freue ich mich über Ihre Nachricht.

Mit freundlichen Grüßen

© M.Petery.
Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

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RTL- Let´s talk about Sex- Radiointerviews Sexualtherapie- Fragen, Ablauf, Behandlung, Theorie

Ist Selbstbefriedigung gesund?

Hier der Radiomitschnitt.

 

Interview mit Dr. Michael Petery
in der Sendung Let´s talk about Sex bei Radio 89.0 RTL

Ist Selbstbefriedigung gesund? Oder wird man davon blind?

Onanie macht definitiv nicht blind. Diese Aussage ist wissenschaftlich gesehen ein völliger Unsinn.

In Wirklichkeit ist genau das Gegenteil richtig. Selbstbefriedigung ist aus Sicht der Sexualtherapie gesund. Und zwar sowohl körperlich wie auch psychisch.

Bei Männern trägt häufiges Onanieren dazu bei, das Risiko von Prostata-Krebs zu senken und schützt vor Entzündungen der Harnblase. Bei Männern und Frauen senken die Sexualhormone, die bei der Selbstbefriedigung freigesetzt werden, das Diabetes-Risiko.

Aus psychologischer Sicht gilt: Wer sich gut selbstbefriedigen kann, hat auch besseren Sex mit dem Partner.

Zum einen deswegen, weil er den eigenen Körper, seine eigene Orgasmusfähigkeit und seine eigenen sexuellen Bedürfnisse besser kennt und auch in der Beziehung besser äußern kann.
Zum anderen, weil es durch Selbstbefriedigung ein Ventil gibt, auch in der Partnerschaft den eigenen Sexualdrang manchmal alleine ausleben zu können.- und bei dr eigenen Bedürfnisbefriedigung nicht notgedrungen nur auf den Partner bzw. die Partnerin angewiesen zu sein oder aus lauter Druck fremdgehen zu müssen.

Selbstbefriedigung in der Partnerschaft

Wenn beide Partner unterschiedlich häufig das Bedürfnis zum Sex haben, ist das dann kein Problem, wenn die Partner sich auch selbstbefriedigen können.

Der Partner mit dem häufigeren Sex-Bedürfnis hat so eine Möglichkeit, trotzdem zum Orgasmus zu kommen , und muss nicht den anderen gegen dessen Willen mit seinem Sexwunsch bedrängen.

Interessanterweise ist Masturbation übrigens auch im Tierreich weit verbreitet, nicht nur bei Säugetieren wie Hunden, Affen, Kühen, Pferden oder Schafen, sondern auch bei Vögeln und Reptilien. Allein das zeigt, dass Masturbation biologisch zur Sexualität schlicht und einfach hinzugehört.

Nicht normal ist einzig und allein, die Lust an der Onanie künstlich zu unterdrücken.

Warum galt das früher als verpönt?

Das Verbot von Onanie ist menschheitsgeschichtlich eine späte Erfindung im Umfeld des Christentums. Bei den alten Griechen und Römern war Selbstbefriedigung noch völlig selbstverständlich.
Im frühen Christentum galt Sexualität schon bald als verpönt. Die eigentliche Liebe des Menschen sollte nur noch Gott allein gehören- und sogar der Sex mit der Ehefrau nicht mehr Lust bereiten als unbedingt nötig (daher das Verbot aller anderen Sexpraktiken außer der Missionarsstellung).

Diese christliche Sexualmoral hat die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts gründlich geprägt- und wirkt direkt oder indirekt bis heute fort.

Wie machen es Frauen / wie die Männer?
Gibt es da Unterschiede?

Die meisten Frauen gelangen selber zum Orgasmus, indem sie die Klitoris mit der Hand stimulieren. Manche Frauen nutzen dazu auch einen Vibrator. Deutlich weniger kommen durch vaginale Masturbation zum Orgasmus, also durch das Einführen eines Fingers in die Scheide . Und wieder andere erregen sich durch das feste Zusammenpressen der Oberschenkel.

Männer haben da weniger Möglichkeiten. Hier ist es eigentlich immer das rhythmische Reiben und Drücken des männlichen Gliedes, das erst zur Erektion und dann zum Samenerguss führt.
Bei Männern sind es etwa 94%, die regelmäßig masturbieren, bei Frauen etwa 80 %.

Männer benutzen dabei weit häufiger als Frauen Pornografie als Hilfsmittel. Selbstbefriedigung bei Männern ist in der Regel mit erotischen Fantasien verbunden, die zur Luststeigerung dienen.
Bei den Frauen sind es nur etwa 50%, die bei der Selbstbefriedigung erotische Vorstellungen haben. Die andere Hälfte der Frauen genießt das Masturbieren als einen rein körperlichen Akt.

Aber wie auch immer Mann oder Frau es macht: Aus sexualwissenschaftlicher Sicht kann gar nicht genug betont werden: Onanieren ist völlig gesund. Onanieren verursacht keinerlei körperliche oder psychische Schäden und kann als solches auch nicht zur Sucht führen.

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© M.Petery.

Wenn Sie dazu Fragen haben, können Sie sich gern an mich wenden.

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

Vgl. dazu den Beitrag

Ist Onanie schädlich? Der Mythos der Selbstbeschmutzung

 

 

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Sexuelle Probleme und psychische Störungen

Sexuelle Probleme und psychische Störungen

Der Sex und die Psyche: Sexuelle Probleme und psychische Störungen

Viele sexuelle Probleme sind Folge von psychischen Erkrankungen. Sexualität ist ein zentrales Element im Wesen des Menschen- von daher ist nicht besonders erstaunlich, dass sich psychische Störungen und Erkrankungen oft zuerst als ein sexuelles Problem bemerkbar machen.

Nicht jedes sexuelle Problem
ist Folge einer psychischen Erkrankung

Das soll natürlich nicht heißen, dass jedes sexuelle Problem automatisch Folge einer psychischen Störung ist. Genauso häufig gibt es auch andere Ursachen wie zum Beispiel die Erziehung in der Herkunftsfamilie. Hier können Probleme entstehen, wenn die eigene Sexualität und das von sich selbst erwartete Rollenbild nicht zusammenpassen: so kommen immer wieder Männer zu mir in die Praxis, die Homosexualität irgendwo verwerflich oder schmutzig finden- und das, obwohl sie selber homosexuell sind.

Auch sexuelle Probleme in einer Partnerschaft liegen in der Regel nicht an psychischen Störungen von einem oder beiden Partnern, sondern daran, das in den wechselseitigen Erwartungen und Bedürfnissen unterschiedliche Vorstellungen vorliegen, die den beiden Partnern oft nicht bewusst sind und erst im Verlauf einer Paartherapie deutlich werden.

Sexuelle Probleme und psychische Störungen: die häufigsten Krankheitsbilder

Es ist also Vorsicht geboten, bei vorliegenden sexuellen Problemen sofort auf eine psychische Erkrankung zu schließen. Umgekehrt macht die Sache mehr Sinn: Viele psychische Erkrankungen haben Folgen, die sich auch auf sexuellem Gebiet auswirken.

Depression

Die Hauptanzeichen einer depressiven Erkrankung sind Antriebslosigkeit, Interesseverlust und depressive Symptomatik. Zu den häufigen Nebensymptomen zählt bei Männern und Frauen aber auch die Abschwächung oder der völlige Verlust der Libido.

Das kann sich bei Männern Potenzschwäche oder Erektionsstörung bemerkbar machen, bei Frauen als Vaginismus (Scheidentrockenheit) oder Unfähigkeit zum Orgasmus (Frigidität). Eine Depression kann aber auch dazu führen, wahllos Sex zu haben, ohne ihn überhaupt gewollt zu haben.

Suchtkrankheiten:
Drogen, Nikotin und Alkohol

Eine Suchterkrankung hat erhebliche Folgen für die eigene Sexualität und kann sexuelle Probleme und psychische Störungen verursachen. Viele Drogen führen zu einer Steigerung des Sexualtriebs und einer gestörten Impulskontrolle.

Unter Drogeneinfluss kommt es häufiger zu ungeschütztem und daher auch gesundheitlich gefährlichem Sex oder zu Wahllosigkeit in Bezug auf die Sexualpartner/innen.

Diese Wahllosigkeit kann sich bei Männern so weit entwickeln, dass sich die sexuelle Leidenschaft gleichermaßen auf beide Geschlechter richtet- und das, obwohl die Betroffenen ohne Drogeneinwirkung eindeutig heterosexuell veranlagt sind.

Ebenfalls nach Cannabis-Konsum treten nach meinen eigenen Erfahrungen mit Patienten vor allem bei jüngeren Männern häufiger homosexuelle Zwangsgedanken auf, bei denen sich die Betroffenen permanent hinterfragen, ob sie nicht homosexuell sein könnten. Diese Zwangsgedanken werden als extrem unangenehm erlebt (ganz im Gegensatz zu homosexuellen Tagträumen bei Männern, die tatsächlich homosexuell veranlagt sind).

Typische Folgen von jahrelanger Nikotin-Sucht sind neben dem allgemein bekannten gesteigerten Risiko für Krebserkrankungen vor allem der Verlust der Libido mit der Folge von Erektionsschwierigkeiten und Impotenz bei Männern bzw. Verlust der Orgasmusfähigkeit bei Frauen (Frigidität).

Eine Alkoholkrankheit kann je nach Krankheitsstadium sowohl zu einer Steigerung des sexuellen Verlangens führen (das oft bei gleichzeitiger Unfähigkeit zu Erektion oder Orgasmus) oder, vor allem in fortgeschrittenem Stadium, zum teilweisen oder völligen Verlust der Libido. Im Rahmen einer Partnerschaft führt die Alkoholkrankheit zu unbegründeten Gewaltausbrüchen gegenüber dem Partner, die häufig zu Trennung und sozialer Isolation führen. Weitere Infos unter Kenn Dein Limit.

Sexuelle Probleme und psychische Störungen
bei Trauma und Missbrauch

Traumatische Erfahrungen auf sexuellem Gebiet (Erlebnisse von Missbrauch und/oder Vergewaltigung in Kindheit und/oder Erwachsenenalter) können zu psychischen Erkrankungen führen. Eine häufige Folge ist eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), deren Symptome oft erst Jahre nach dem traumatischen Erlebnis deutlich werden. Typisches Kennzeichen sind Erinnerungslücken in Bezug auf das Trauma bei gleichzeitiger ständiger Präsenz des Erlebnisses. Diese Spannung kann zu dissoziativen Zuständen führen, also dem Auseinanderfallen von Elementen der Wahrnehmung, des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität und der Motorik.

Auf sexuellem Gebiet kann ein Trauma zu Vermeidungsverhalten führen (Vermeidung von Situationen, die zu Sex führen könnten, bis hin zu vollständiger sozialer Isolation) oder zu vollständigem Verlust von Libido und Orgasmusfähigkeit.

Zwangsstörungen:
Zwangsgedanken und Zwangshandlungen

Zwangsgedanken kommen auf sexuellem Gebiet sehr häufig vor.

Das können katastrophisierende Gedanken sein wie zum Beispiel, dass der geliebte Partner bzw. die geliebte Partnerin einen schon bald verlassen wird- ohne dass es dafür in der Wirklichkeit irgendwelche tatsächlichen Hinweise gibt. Das kann auch umgekehrt die quälende Angst sein, man selber könnte plötzlich nichts mehr für seine/n Partner/in empfinden- und das, obwohl im Augenblick in der Partnerschaft alles in Ordnung ist.

Möglich sind auch andere quälende Gedanken, wie etwa die ständige bildhafte Vorstellung, wie der Sex des eigenen Partners bzw. der eigenen Partnerin mit vorherigen Exfreundinnen bzw. Exfreunden ausgesehen haben könnte.

Bei (heterosexuellen) Männern findet sich außerdem sehr häufig der Zwangsgedanke, „eigentlich“ homosexuell und damit unfähig zur Partnerschaft mit einer Frau zu sein.

Ein Beispiel für eine sexuelle Zwangshandlung wäre der permanente Drang, sich pornografische Videos ansehen zu müssen, auch wenn keine sexuelle Erregung besteht und dieser Drang als unangenehm empfunden wird..

Angststörungen

Auch Angst ist ein häufiges Thema in der Sexualtherapie. Zu beachten ist, dass Menschen mit Angststörungen selbst häufig die Angst gar nicht als das Hauptsymptom erkennen und vor allem körperliche Symptome erleben wie z.B. Schwindelgefühle, Herzrasen, Magenschmerzen etc.

Eine Angststörung bzw. phobische Störung liegt immer dann vor, wenn

  • die Angst der Situation nicht angemessen ist
  • die Angst länger deutlich anhält als die angsterregende Situation andauert
  • die besondere Form der Angst nicht erklärbar und beeinflussbar ist
  • die Angst zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führt
  • die Angst zu Einschränkungen im Kontakt mit anderen Menschen führt.

Auf sexuellem Gebiet gibt es vor allem die Versagensangst, die im Extremfall dazu führt, dass Betroffene sexuelle Begegnungen grundsätzlich vermeiden. Dazu kommen spezielle Formen der Angst wie etwa Gymnophobie, also die Angst, selber nackt zu sein oder andere Menschen nackt zu erleben.

Sexuelle Probleme und psychische Störungen
bei einer Borderline-Störung

Hauptmerkmal der Borderline-Störung ist eine kaum auszuhaltende innere Anspannung, die sich häufig in selbstschädigendem Verhalten Erleichterung verschafft.

Das können Selbstverletzungen sein (z.B. durch Ritzen), aber auch Hochrisikoverhalten wie Gebrauch von Suchtmitteln, riskantes Autofahren oder eine wenig kontrollierte Sexualität mit wechselnden Partner/innen. (Wobei in letzterem Fall dieses Verhalten gerade bei jungen Frauen auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, sexuell ausgenutzt zu werden.)

Das ist insofern besonders problematisch, da Menschen mit einer Borderline-Störung oft bereits in der Kindheit sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren, und sich somit traumatische Erfahrungen der Vergangenheit immer weiter fortsetzen. Vgl. dazu auch das Fallbeispiel Sexuelle Gewaltfantasien bei Frauen.

Menschen mit Borderline-Störung haben häufig eine große Sehnsucht nach einer engen und dauerhaften Beziehung. Da sie in ihrer Kindheit oft nicht erfahren konnten, was die Geborgenheit in einer Familie bedeutet (inkl. aller Aufs und Abs, die im Alltag dazugehören), haben Menschen mit Borderline-Störung oft unrealistische Erwartungen an eine Beziehung. Das zeigt sich in vielen Fällen durch
die Neigung, andere Menschen entweder stark zu idealisieren oder abzuwerten.

Das kann in einer Beziehung dazu führen, dass die Vorzüge des Partners bzw. der Partnerin zunächst völlig überhöht positiv gesehen werden mit der Folge einer um so tieferen Enttäuschung, wenn der Partner bzw. die Partnerin diese hohen Erwartungen später nicht auf Dauer erfüllen kann.

Von daher erklärt sich, dass Beziehungen, auch wenn sie mit großen Erwartungen begonnen wurden, oft nicht sehr lange anhalten- es sei denn, der Partner bzw. die Partnerin bringen sehr viel Verständnis für die Erkrankung auf und schaffen es, die Partnerschaft auf einem mittleren Level zischen Idealisierung und Entwertung zu stabilisieren.

Neben einer speziellen Therapie mit dem Ziel des Spannungsabbaus (und ggf. auch der Traumaverarbeitung) für den Borderline-Patienten bzw. die Borderline Patientin, kann also auch eine paartherapeutische Begleitung sinnvoll sein.

Sexuelle Probleme und psychische Störungen
bei Persönlichkeitsstörungen

Persönlichkeitsstörungen sind gemäß der ICD-10, dem Krankheitenkatalog der Weltgesundheitsorganisation, „tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen.“

In der Regel verspüren Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung selbst nur geringen Leidensdruck- ihre Umwelt oder ihre Partnerinnen oder Partner dafür umso mehr. Rein statisch ist jede fünfte Partnerschaft betroffen.

Vgl. dazu den ausführlichen Beitrag über Perönlichkeitsstörungen in der Partnerschaft.

Weitere Störungsbilder

Hierzu gehören z.B. Störungen im Bereich des Autismusspektrums.
Auch wenn Autisten Schwierigkeiten haben, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen, haben sie trotzdem sexuelle Bedürfnisse, die in der Regel durch Masturbation befriedigt werden.

Hier kommt es auf eine behutsame Sexualerziehung an, welche den Betroffenen nichts aufdrängt (und keinesfalls sexuell ausbeutet!), gleichzeitig aber auch vor Situationen schützt, die ihnen schaden (Masturbation in der Öffentlichkeit, Verletzungen durch Einsatz ungeeigneter Gegenstände bei der Masturbation).
Vgl. dazu den Aufsatz zu Sexualität und Autismus von Karin Dreisigacker.

Beim Asperger-Syndrom verspüren Betroffene oft den lebhaften Wunsch nach Partnerschaft und Sexualität. Eine große Schwierigkeit bereitet allerdings das Kennenlernen eines geeigneten Partners bzw. einer geeigneten Partnerin, die Verständnis für die Eigenheiten von Menschen mit Asperger-Syndrom hat (Spezialinteressen, Reizüberforderung bei sozialen Anlässen etc.). Um diese Schwierigkeit zu überwinden, kann eine einfühlsame Therapie sehr hilfreich sein, die darauf abzieht, soziale Skills einzuüben und zu trainieren.

ADHS im Erwachsenenalter kann sich im Bereich Sexualität auf sehr unterschiedliche Art und Weise auswirken. Während Frauen mit ADHS oft erst relativ spät mit Ende 20 ihre Freude an der Sexualität entdecken, haben junge Männer mit ADHS oft ein stark gesteigertes sexuelles Interesse („Hypersexualität„).

Beiden Geschlechtern gemeinsam ist bei ADHS oft eine überdurchschnittliche Experimentierfreude beim Sex und eine große Akzeptanz auch von Partnern, die nicht dem gängigen Idealbild entsprechen. Impulsivität und rasche Stimmungsumschwünge können in der Partnerschaft Beziehungsprobleme bereiten. In solchen Fällen kann eine Paartherapie dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis für die jeweiligen Eigenheiten des anderen Partners zu fördern.

Sexuelle Probleme und psychische Störungen: eine Aufgabe für den Spezialisten

Ob eine psychische Erkrankung (Mit-)Ursache für sexuelle Probleme ist oder nicht, ist oft auch für den Spezialisten nicht auf den ersten Blick erkennbar. Deswegen sind spezielle Untersuchungen nötig, um genaue Klarheit zu gewinnen und auf dieser Grundlage das geeignete Therapieverfahren zu wählen (z.B. Verhaltenstherapie oder Gesprächstherapie).

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© M.Petery
Wenn Sie möchten, können Sie sich mit weiteren Fragen gern an mich wenden.

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

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Partnersuche Sexuelle Probleme Zwangsstörung und Zwangsgedanken

Zu schüchtern für eine Beziehung?

Zu schüchtern zum Küssen- lässt sie mich deswegen fallen? 

Ich bin 22 Jahre und hatte noch nie eine Freundin. Mein Problem ist, dass ich generell Schwierigkeiten habe, mich auf andere Leute einzulassen.

Schon in der Schule bin ich von meinen Klassenkameraden gemobbt worden und war ein ziemlicher Einzelgänger- allerdings, ohne es sein zu wollen. Selbst wenn mir dann mal jemand etwas Nettes gesagt hat, wusste ich nie, ob das echt gemeint war oder nur als Verarschung.

Immer hatte ich das Gefühl, dass die anderen über mich tuscheln und blöde Bemerkungen machen. Die paar Versuche, die ich gemacht habe, um mit einem Mädchen ins Gespräch zu kommen, endeten immer mit einer Zurückweisung. Allmählich glaube ich, dass mich niemand mag, und wenn ich überhaupt etwas Nettes höre, dann nur aus Mitleid.

Mittlerweile studiere ich, aber auch an der Uni hat sich erstmal nicht viel geändert. Im Hörsaal bin ich immer allein dagesessen, auch in den Seminaren hat sich kein richtiger Kontakt entwickelt.

Zu schüchtern-
Ein Mädchen als neues Problem

Was aber komisch ist, dass ich vor zwei Monaten an der Uni jetzt doch ein Mädchen kennengelernt habe. Sie ist sogar ausgesprochen hübsch und sehr nett. Wir lernen jeden Nachmittag miteinander, sind auch schon gemeinsam Essen gegangen und waren im Kino.

Neulich hat sie mir zum Abschied sogar einen Kuss auf die Wange gegeben und gemeint, sie fände es nett, wen ich sie das nächste Mal auch mit einem Kuss begrüßen würde. Ich war da ziemlich perplex und bin auch etwas zurückgeschreckt. Auf jeden Fall habe ich es nicht geschafft, sie beim nächsten Mal zu küssen, sondern habe sie nur einfach mit Hallo begrüßt- und sie hat das auch auf sich beruhe lassen.

Dafür waren wir jetzt an einem Nachmittag gemeinsam zu Besuch bei Ihren Eltern, wo sie mich als ihren Freund vorgestellt hat. Die Eltern waren übrigens sehr nett zu mir. Am Tag darauf haben wir uns wieder getroffen zu einem Wanderausflug, und sie hat mir gesagt, dass sie es total schön mit mir findet und dass ich sehr nett bin. Aus mir kam dann nichts mehr heraus außer ein Danke, und dass es mir mit ihr zusammen auch sehr gut gefällt. Und das stimmt zu 100%. Ich mag sie wirklich sehr gern.

Und trotzdem:
Ich weiß jetzt irgendwie gar nicht mehr, wie das weitergehen soll. Ich kann einfach auf Ihre Annäherungsversuche nicht richtig reagieren. Irgendwie habe ich auch schon wieder das Gefühl, dass sie das alles nur aus Mitleid macht, eine Zeit lang, und mich dann fallen lässt.

Patrick F. (Name geändert)

Wie reagiere ich auf einen Kuss?

Hallo Patrick,

In Ihrer Schulzeit waren Sie in Ihrer Klasse ein Außenseiter und haben keine Freundin gefunden. So ging das auch an der Uni weiter, bis jetzt ein hübsches Mädchen auf Sie zugegangen ist, Sie auf die Wange geküsst hat und offensichtlich noch mehr von Ihnen will. Sie wissen nicht, wie Sie reagieren sollen und haben Angst, sie täte das alles nur aus Mitleid und Sie könnten sie schon bald wieder verlieren.

Zu schüchtern-
Katastophisierende Gedanken

Das Problem besteht offenbar vor allem in Ihrem Kopf. Egal, wie es Ihnen früher in Ihrer Schulzeit ergangen ist: Jetzt haben Sie ein Mädchen, mit dem Sie täglich zusammen sind, schöne Ausflüge unternehmen können und das von Ihnen einen Kuss bekommen möchte.

Ihre Schüchternheit ist dabei gar nicht so sehr das Problem: Denn ganz offensichtlich mag Ihre Freundin Sie genau so, wie Sie sind. Und dass Sie eher schüchtern sind, hat sie schon längst mitbekommen. Im Prinzip sind Sie also am Ziel Ihrer Wünsche, ohne dass Ihnen Ihre Schüchternheit dabei geschadet hätte.

Das eigentliche Problem, das Sie jetzt quält, sind Ihre eigenen Gedanken, die Sie daran hindern, Ihr Glück zu genießen und die Beziehung zu Ihrer Freundin weiter zu vertiefen.

Aus psychologischer Sicht sind das katastrophisierende Gedanken: Statt sich vorzustellen, dass Sie jetzt am Beginn einer wunderbaren Freundschaft stehen, dreht sich das Gedankenkarussell und Sie stellen sich vor, dass das Mädchen sich nur aus Mitleid Ihnen zugewandt hat und sie bald schon wieder fallen lässt.

Wenn diese negativen Gedanken jetzt schon länger als 14 Tage anhalten, dann leiden Sie aus therapeutischer Sicht an einer Zwangsstörung, die sich in Zwangsgedanken äußert.

Zu schüchtern-
Anzeichen einer Depression?

Um hier wieder herauszukommen, ist es mit Sicherheit sinnvoll, sich an einen Therapeuten zu wenden. Im therapeutischen Gespräch wäre zusätzlich zu prüfen, ob Sie außer an Zwangsgedanken möglicherweise auch an einer Depression erkrankt sind, die dazu geführt hat, dass Sie Ihren eigenen Selbstwert sehr niedig ansetzen.

Zwangsgedanken treten häufig in Verbindung mit einer Depression auf. Bei einer Depression handelt es sich nicht einfach nur um eine psychische Verstimmung, sondern um eine Störung biochemischer Prozesse im Gehirn, die unbedingt durch einen Spezialisten behandelt werden muss.

Gerade, weil Sie jetzt eine Frau kennengelernt haben, mit der eine wunderbare Zeit der Gemeinsamkeit beginnen könnte, ist es wichtig, dass Sie jetzt Ihre Probleme aktiv angehen und gemeinsam mit einem Therapeuten nach Lösungswegen suchen. Es wäre schade, diese Möglichkeit zu einer netten Beziehung verstreichen zu lassen, ohne hier nicht alles versucht zu haben, um gegen die störenden negativen Gedanken anzukämpfen.

*** *** ***

© M.Petery

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Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

PS: Zwangsgedanken und Sexualität

Zwangsgedanken kommen auf sexuellem Gebiet sehr häufig vor. Das können, wie im vorliegenden Fall katastrophisierende Gedanken darüber sein, dass der Partner bzw. die Partnerin einen schon bald verlassen wird- ohne dass es dafür in der Wirklichkeit irgendwelche tatsächlichen Hinweise gibt.

Das kann auch umgekehrt die quälende Angst sein, man selber könnte plötzlich nichts mehr für seine/n Partner/in empfinden- und das, obwohl im Augenblick in der Partnerschaft alles in Ordnung ist.

Bei (heterosexuellen) Männern findet sich außerdem sehr häufig der Zwangsgedanke, „eigentlich“ homosexuell und damit unfähig zur Partnerschaft mit einer Frau zu sein. Vgl. den Beitrag Homosexuelle Zwangsgedanken.

Weitere Infos: Sexuelle Zwangsgedanken- wie wird man sie los?

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Sexualtherapie- Fragen, Ablauf, Behandlung, Theorie Sexuelle Probleme

Bin ich sexsüchtig? Sexsucht-Tests im Internet

Wer im Internet den Begriff Sexsucht eingibt, wird schnell fündig. Eine ganze Reihe von Websites bieten Online-Fragebögen an, die eine schnelle Antwort auf die Frage versprechen.

Bin ich sexsüchtig?
Wie aussagekräftig Internet-Tests sind…

Typische Testfragen im Internet und ihre tatsächliche Relevanz

Als ein Beispiel möchte ich hier den Online-Fragebogen „Sind Sie sexsüchtig?“ des Magazins Fit for fun etwas näher analysieren. Der gleiche Test fand sich übrigens bis Jan 2020 auch bei Focus Online und wurde jetzt gelöscht.

Hier werden dem User insgesamt 12 Fragen vorgelegt, die jeweils mit Ja oder Nein beantwortet werden können. Nur wer alle Fragen mit Nein beantwortet, erhält das Ergebnis: Kein Grund für Bedenken. Ihr Sexleben scheint in normalen Bahnen zu laufen.“

Bereits ab einem einzigen Ja heißt es in der Auswertung „Zur Vorsicht wird geraten!“ und der Test empfiehlt: „Wenn Sie eine oder gar mehrere der Fragen mit Ja beantworten mussten, sollten Sie Ihre sexuellen Vorlieben vielleicht einmal mit einem Arzt/Psychologen Ihres Vertrauens besprechen.“

Ab 5 Jas gilt dann „Alarmstufe Rot“, verbunden mit dem Hinweis: „Sie sollten unbedingt zu einem Experten – Psychologen oder Arzt – gehen und ihm Ihre Beobachtungen ganz offen schildern. Er kann beurteilen, ob Sie unter einer behandlungsnötigen Sexsucht leiden und die richtigen Schritte einleiten, damit Sie wieder ein normales Verhältnis zu Sex und Erotik entwickeln.“

Ist also schon ein einziges Ja auf eine der Fragen in diesem Test Hinweis auf eine mögliche psychische Störung?

Es lohnt sich, die Testfragen genauer in den Blick zu nehmen:

  1. Haben Sie wegen Ihrer sexuellen Vorlieben oft ein schlechtes Gewissen?

    Sexuelle Vorlieben haben aus sexualtherapeutischer Sicht nur dann einen Krankheitswert, wenn sie die betroffene Person oder deren soziales Umfeld schädigen.
    Fraglich ist, wofür das „schlechte Gewissen“ ein Indikator sein soll.

    Leider ist sowohl der Fall denkbar, dass ein Pädophiler mit eindeutig krankhaftem und suchtartigem Konsumzwang von Kinderpornografie kein schlechtes Gewissen hat, als auch der umgekehrte Fall eines Menschen mit „schlechtem Gewissen“, dessen einzige „Sünde“ ist, hin und wieder zu onanieren. Es gibt also das Risiko, dass der Fragebogen im einen Fall ein falsches Nein zum Thema Sexsucht ausgibt und im anderen Fall ein falsches Ja.

    Das schlechte Gewissen allein ist kein zuverlässiger Hinweis auf Sexsucht. Allerdings brauchen sexuelle Vorlieben wie z.B. Masturbation, die niemandem schaden, grundsätzlich nicht mit schlechtem Gewissen verbunden sein. Wer also z.B. wegen Masturbation ein schlechtes Gewissen hat, ist zwar nicht sexsüchtig- ein therapeutisches Gespräch konnte sich allerdings lohnen um herauszufinden, warum sich der/die Betroffene für ein völlig normales sexuelles Verhalten mit Selbstvorwürfen überzieht.

  2. Haben Sie bereits wichtige Termine versäumt, weil Sie mit Erotik und Sex beschäftigt waren?

    Die Vernachlässigung wichtiger Termine ist ein wichtiger Indikator für eine Sucht. Wer diese Frage mit Ja beantwortet, kann also tatsächlich ein Suchtproblem haben.

    Einzige Ausnahme: Der Sex war der noch wichtigere Termin. Und dieser Fall kann eigentlich nur dann vorkommen, wenn es sich um die einmalige Gelegenheit handelt, sich den Traummann oder die Traumfrau des Lebens zu sichern und darüber alles andere zu vergessen…

  3. Masturbieren Sie zwanghaft oft, sogar mehrmals am Tag?

    So gestellt, ist das eine Suggestivfrage, die keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern kann.

    Denn Masturbation, die zwanghaft erfolgt, ist immer ein psychisches Problem, sogar wenn die zwanghafte Masturbation nur zu bestimmten Anlässen alle paar Wochen einmal auftritt.

    Mehrmalige Onanie täglich hat dagegen definitiv keinen Krankheitswert, wenn sie nicht zwanghaft erfolgt, sondern der betreffenden Person schlicht und ergreifend Spaß macht und auch im Rahmen einer Partnerschaft keine Belastung darstellt.

  4. Haben Sie viele Sexualpartner/innen?

    Viele Sexualpartner zu haben, ist für sich allein genommen kein Anzeichen für eine Krankheit.

    Für eine solche Diagnose müsste ein Leidensdruck hinzukommen: z.B. durch die Gefährdung der hauptsächlichen Partnerschaftsbeziehung.

  5. Lenken Sie sexuelle Fantasien oft von Ihrer Arbeit ab?

    Sexuelle Fantasien, die einen Menschen bei Arbeiten stören, sind tatsächlich problematisch, wenn sie als störend empfunden werden.

    Andererseits haben eine ganze Reihe an Studien ergeben, dass sehr viele Menschen Dutzende Male am Tag an Sex und an sexuelle Fantasien denken und das eher als Bereicherung ihres Alltags empfinden.

    Insofern hat auch diese Frage Suggestivcharakter und könnte Menschen mit völlig unauffälligen sexuellen Fantasien dazu bringen, die Frage mit Ja zu beantworten. Aussagekräftig wäre nur die Frage: „Stören Sie sexuelle Fantasien oft bei Ihrer Arbeit?“

  6. Sind Sie davon überzeugt, dass tabulose Pornos unbedingt zum Liebesspiel dazugehören?

    „Tabulose Pornos“- das ist schon eine etwas merkwürdige Formulierung. Gibt es denn Pronos, die nicht tabulos sind? Also verklemmte Pornos mit vielen Tabus? Und wären die dann in einer Partnerschaft weniger gefährlich?

    Aber von der Formulierung mal abgesehen: Es ist definitiv kein Zeichen für Sexsucht, wenn es in einer Partnerschaft beiden Partnern Spaß macht, während des Sex einen Porno laufen zu lassen.

  7. Nutzen Sie regelmäßig anonyme Sex-Angebote wie Telefonsex oder Prostitution?

    Zwanghafte Konsumierung von Telefonsex-Angeboten oder Prostitution sind mit Sicherheit Hinweise auf eine psychische Erkrankung. Das gilt insbesondere dann, wenn eine solche Nutzung selbstschädigenden Charakter hat, beispielsweise finanziell, beruflich oder in Bezug auf eine bestehende Partnerschaft.

    Allerdings bedeutet „regelmäßig“ nicht automatisch „zwanghaft“. So die Person keinen Leidensdruck verspürt, liegt also auch bei regelmäßiger Nutzung solcher Angebote ohne inneren Zwang kein Hinweis auf einen Suchtcharakter vor.

  8. Stehen Sie auf Sado-Maso-Spiele?

    Bei dieser Frage stand wohl eher Prüderie Pate als sexualwissenschaftlicher Erkenntnisdrang.

    SM-Vorlieben, die einvernehmlich mit dem oder der Partnerin ausgelebt werden, haben mit Sexsucht definitiv nichts zu tun.

  9. Können Sie nur mit bestimmten Fetischen in Fahrt kommen?

    Und schon wieder Prüderie! Fetischismus ist keine Krankheit, außer, der/die Betroffene leidet darunter, dass er nur mit einem bestimmten Fetisch kommt (z.B., wenn der/die Partner/in den Fetisch ablehnt).

    Das wäre dann aber ein paartherapeutisches Problem und kein Hinweis auf Sexsucht.

  10. Werden Sie nervös und schlecht gelaunt, wenn Sie Ihren Trieb nicht ausleben können?

    Die meisten Menschen brauchen sexuelle Zufriedenheit, um psychisch gesund zu sein. Libidoverlust gilt als eine Erkrankung (z.B. infolge einer Depression). Insofern werden wohl die meisten Menschen „nervös und schlecht gelaunt, wenn sie ihren Trieb nicht ausleben können“.

    Sinnvoller wäre z.B. die Frage, wie unmittelbar sexuelles Verlangen ausgelebt werden muss, ob es also auf sexuellem Gebiet eine „Störung der Impulskontrolle“ gibt (was tatsächlich eine Erkrankung wäre).

  11. Hat sich Ihre Begierde in letzter Zeit gesteigert, brauchen Sie eine immer höhere Dosis Sex?

    Bei der Fragestellung hat wohl die Analogie zur Alkoholsucht Pate gestanden. Aber wie soll man sich das mit der Dosissteigerung beim Sex eigentlich vorstellen?

    Sexualwissenschaftliche Erkenntnisse weisen darauf hin, dass es im Leben ein und desselben Menschen immer wieder Zeiten mit häufigerem und weniger häufigem Sex gibt, die sich abwechseln. Eine Analogie zum Alkohol, dass sich die Sexdosis über Jahrzehnte infolge einer sich aufbauenden physischen Abhängigkeit immer mehr steigert, ist beim Sexualverhalten noch bei keinem Menschen beobachtet worden…

    Eine „Steigerung der Begierde in letzter Zeit“ ist also kein Kriterium für Sexsucht. Einen Krankheitswert hat häufiger Sex nur dann, wenn der Betroffene oder seine Umwelt darunter leiden.

  12. Haben Sie sich sexuell schon einmal aufgedrängt, also jemanden belästigt?

    Sexuelle Belästigung ist eine sexuelle Handlung ohne Einverständnis des anderen- und als solche strafrechtlich relevant.

    Häufigste Ursache aus psychologischer Sicht ist wohl entweder eine „Störung der Impulskontrolle“ oder zwanghaftes Verhalten. Beides hat mit Sexsucht wenig zu tun.

Fazit

Die Testfragen sprechen zwar eine ganze Reihe möglicher psychischer Probleme an, können aber die Ausgangsfrage „Bin ich sexsüchtig?“ nicht beantworten.

Immerhin stellt der Test kein großes Risiko da: Die schon nach einem einzigen „Ja“ gegebene Empfehlung, einen Arzt oder Psychologen aufzusuchen, kann zumindest nicht groß schaden. Inhaltlich hilfreich ist der Test allerdings wohl weniger.

Wie ich in meinem Beitrag über Hypersexualität dargestellt habe, ist es wissenschaftlich nach wie vor unklar, ob es das Krankheitsbild Hypersexualität als solches überhaupt gibt.

Ein „Zuviel“ an Sex kann Hinweis auf die unterschiedlichsten psychischen Erkrankungen sein: das beginnt bei der Depression, Störung der Impulskontrolle und Zwangsstörung und reicht bis hin zu Persönlichkeitsstörungen oder Borderline. Deshalb ist eine sehr sorgfältige Diagnostik durch einen spezialisierten Arzt oder Therapeuten unbedingt erforderlich, um dann jeweils krankheitsspezifisch therapeutisch helfen zu können.

Bin ich sexsüchtig?
Warnung vor unseriösen Angeboten

Neben solchen vergleichsweise harmlosen Selbsttests im Internet, die sich auf den Portalen der großen Zeitschriftenverlage finden, gibt es auch „Bin sich sexsüchtig?“-Websites, die offenbar völlig unseriös sind.

Dazu gehören meiner Meinung nach insbesondere von therapeutischen Laien organisierte Selbsthilfegruppen gegen Sexsucht, die als mögliche Lösung vor allem sexuelle Enthaltsamkeit und die „spirituelle Unterwerfung unter ein höchstes Wesen“ als Lösung propagieren.

Im Umfang solcher Gruppen zirkulieren Fragebögen, wo bereits ein Ja auf folgende Fragen als Anzeigen für Sexsucht gesehen wird:

  • Wäre es für Sie peinlich, wenn jemand Außenstehendes etwas über deine sexuellen Beziehungen erfährt?
  • Brauchen Sie die Nähe deines Partners, um sich wohl zu fühlen?
  • Glauben Sie, in Ihrem Leben einen Anspruch auf Sex zu haben?
  • Leben Sie in einer Beziehung, die Sie nicht aufgeben können?
  • Meinen Sie, das Leben hätte ohne Sexualität weniger Sinn?
  • Onanieren Sie hin und wieder, obwohl Sie in einer festen Partnerschaft leben?
  • Brauchen Sie Sex, um sich richtig als Mann oder Frau zu fühlen?

Wer mit solchen Fragen versucht, völlig normales menschliches Verhalten krank zu reden, versucht wohl eher. Menschen zu verunsichern als ihnen zu helfen. Dass solchermaßen fragwürdige Persönlichkeitstests beliebtes Anwerbemittel für diverse Sekten sein können, muss wohl an dieser Stelle nicht extra betont werden.

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© M.Petery
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Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

Hypersexualität-
macht zuviel Sex krank?
Wie erkennt man Pornosucht?-
Die wichtigsten Kriterien
Bin ich sexsüchtig?
Sexsucht-Tests im Internet
Sexuelle Probleme
und psychische Störungen
Exzessive Onanie
trotz Partnerschaft
Ständig Sex-
Er will häufiger als ich
 

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Probleme in der Partnerschaft Sexualtherapie- Fragen, Ablauf, Behandlung, Theorie Sexuelle Probleme

Hypersexualität- ist zu viel Sex krank?

Hypersexualität: ist Arthur Schnitzler dafür ein Beispiel?

Hypersexualität-
was bedeutet das eigentlich?

Wörtlich übersetzt bedeutet Hypersexualität „zu viel an Sexualität“. Wissenschaftlich gesehen gibt es keine klare Definition. Objektiv lässt sich nur feststellen, dass Menschen sehr unterschiedlich häufig Sex haben: manche nie oder nur sehr selten, andere mehrmals am Tag. Und das kann sich bei genau dem gleichen Menschen phasenweise immer wieder ändern.

Der Wiener Arzt und Schriftsteller Arthur Schnitzler war zum Beispiel stolz darauf, es als junger Mann mit seiner damaligen Freundin in nur einem Jahr geschafft zu haben, über 1000 Mal Sex gehabt zu haben. Ist ein solcher Rekord als krank einzusstufen, als ein Zuviel an Sex, mit dem Krankheitstitel Hypersexualität? Ist er selber als Opfer von Hypersexualität anzusehen oder auch seine Freundin?

Für den amerikanischen Psychiater Martin Kafka wären beide krank: er hält alles, was über 6 Orgasmen pro Woche hinausgeht, für bedenklich, ebenso jede Beschäftigung mit Sex mehr als eine Stunde am Tag.

Hypersexualität-
eine Erfindung von Moralaposteln?

Tatsächlich kommen vor allem aus den USA Stimmen, welche ein zu viel an Sex als ein psychologisches Krankheitsbild festsetzen möchten. Wissenschaftliche Begründungen für eine solche Grenzsetzung gibt es nicht. Es ist zu vermuten, dass dieser Wille zur Sexbegrenzung vor allem in einer sehr konservativen Sexualmoral begründet ist.

In der wissenschaftlichen Diskussion in Europa ist man sich dagegen weithin einig, dass ein Verhalten nur dann einen „nosologischen Charakter“ (Krankheitswert) hat, wenn es mit physischen oder psychischen Schädigungen für den Betroffenen oder dessen soziale Umgebung einhergeht.

Mit dieser Definition lässt sich der Fall Schnitzler deutlich flexibler beurteilen: Wenn wir davon ausgehen wollen, dass es Schnitzler und seiner Freundin gemeinsam sehr viel Spaß gemacht hat, ihren gemeinsamen Sexrekord aufzustellen, dann wäre beider Verhalten zwar ungewöhnlich, aber keinesfalls eine Krankheit.

Wenn sich allerdings herausfinden ließe, dass es allein der junge Arzt war, der seine Freundin zu so viel Sex drängte, ohne dass die dazu eigentlich richtig Lust hatte- dann wäre der Krankheitswert vorhanden (Schädigung der sozialen Umwelt durch eigenes Verhalten).

Gleichfalls wäre Schnitzlers Verhalten problematisch, wenn er weniger aus Freude an der Sache zu so viel Sex gekommen wäre, sondern aus einem inneren Zwang heraus gehandelt hätte, der ihm aufgezwungen hätte, einen solchen Rekord aufstellen zu müssen.

Hypersexualität-
Kriterien für eine mögliche Erkrankung

Folgende Punkte können also Anzeichen sein, dass sehr viel Sex tatsächlich eine psychische Erkrankung darstellt:

  • Leidensdruck: Der oder die Betroffene empfinden das von ihnen ausgelebte Mass an Sex (mit oder ohne Partner) als zu viel und leiden darunter, z.B. weill sie dadurch andere wichtige Tätigkeiten vernachlässigen (z.B. berufliche Erfordernisse oder sonstige persönliche Interessen).
  • Nötigung des Partners oder der Partnerin: Unfähigkeit, in der Partnerschaft akzeptieren zu können, dass der oder die andere nicht so oft das Bedürfnis zum Sex hat als man selbst.
  • Unfähigkeit, auf eine Möglichkeit zum Sex zu verzichten, auch wenn dadurch einen persönlicher Schaden entstehen kann. Z.B. Nutzung des PC am Arbeitsplatz für privaten Pornokonsum, Sex mit Unbekannten ohne Abklärung des Risikos von Geschlechtskrankheiten und Verhütung…. (gestörte Impulskontrolle)
  • Belästigung anderer mit verbalen sexuellen Anspielungen oder Handlungen (Angrapschen etc.) ohne deren explizites Einverständnis
  • hohe Promiskuität (zahlreiche, wechselnde Sexualpartner) ohne expliziten Wunsch danach
  • Ausbleiben des Gefühls wirklicher sexueller Befriedigung trotz intensiver sexueller Betätigung
  • suchtartiges Sexualverhalten, bei dem keine eigene Kontrolle mehr möglich schient (vgl. dazu meinen Beitrag zu Wie erkennt man Pornosucht?)

Alle diese Hinweise weisen zwar auf mögliche psychische Erkrankungen hin, definieren allerdings kein klar feststellbares Krankheitsbild von Sexsucht bzw. Hypersexualität.

Die Störung im sexuellen Bereich ist also vor allem ein Hinweis darauf, dass es sich lohnen kann, das Thema mit einem kompetenten Therapeuten durchzusprechen- und abzuklären, ob eventuell andere psychische Erkrankungen im Hintergrund stehen, die psychotherapeutisch behandelt werden sollten.

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Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

Weitere Beiträge zum Thema Hypersexualität

Wie erkennt man Pornosucht?
Exzessive Onanie trotz Partnerschaft
Ständig Sex- er will häufiger als ich

Literaturtipp

Schnitzler Jugend in Wien

Arthur Schnitzler (1862-1931) interessierte sich als Arzt und Schriftsteller gleichermaßen für das Thema Sex. Bereits seine Jugenderinnerungen enthalten eine ganze Reihe von Sexerlebnissen. Berühmt (und berüchtigt) wurden seine freizügigen Sexschilderungen im Theaterstück „Der Reigen“ oder in der Erzählung „Elsa“. Seine „Traumnovelle“ von 1926 wurde Vorbild für Stanley Kubricks Film Eyes Wide Shut- einem Klassiker der BDSM-Szene.

Hypersexualität-
macht zuviel Sex krank?
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Probleme in der Partnerschaft RTL- Let´s talk about Sex- Radiointerviews

Das erste Mal Sex- worauf kommt es wirklich an?

Hier der Radiomitschnitt.

 

Interview mit Dr. Michael Petery
in der Sendung Let´s talk about Sex bei Radio 89.0 RTL

Das erste Mal Sex- warum erinnern wir uns alle daran?

Erinnerungen werden dann besonders gut gespeichert, wenn eine emotionale Komponente beteiligt ist. Deswegen ist es leicht, sich an Personen und Erlebnisse zu erinnern, die uns etwas bedeuten- und aus genau dem gleichen Grund ist es für die meisten von uns schwer, sich mathematische Formeln zu merken, die uns emotional nur sehr wenig sagen.

Beim ersten Mal Sex sind wir alle mit unseren Gefühlen stark beteiligt. Das kann Stolz sein, Aufregung, Neugier, aber auch Angst oder sogar Ekel. Bei so starken Gefühlen ist das keine große Überraschung, dass wir uns alle an unser erstes Mal Sex gut erinnern können.

Dass wir Erlebnisse mit großem emotionalen Wert besonders gut erinnern, ist übrigens nicht sexspezifisch, sondern tritt auch auf bei anderen Lebensereignissen, die mit starken Gefühlen verbunden sind. Die meisten erinnern sich zum Beispiel sehr gut an den ersten Schultag, an die Abschlussprüfung oder an den Todesfall eines nahestehenden Menschen.

Das erste Mal Sex: Was sollte man beachten?

Das Wichtigste gleich als erstes:
Es gibt kein richtig oder falsch für den ersten Sex.

Es gibt auch keine festgesetzten Regeln, welches Programm da abzulaufen hat.

Das erste Mal muss nicht zwangsweise mit dem Orgasmus beider Partner im Koitus enden oder ein unglaublich schönes Erlebnis der Zweisamkeit werden. Eine solche Vorstellung ist insgesamt ziemlich unrealistisch.

Das gilt insbesondere dann, wenn bei der Frau das Jungfernhäutchen noch vorhanden ist und es beim ersten Sex durchtrennt wird. Das tut (in Maßen) weh- und danach sollte erst einmal Schluss mit dem Sex sein, außer die Frau erklärt ausdrücklich, dass sie weitermachen will.

Viele Menschen haben in Bezug auf das erste Mal eher zwiespältige Erinnerungen. Sex ist ein Spiel, das etwas Übung und Erfahrung braucht.
Viel wichtiger als die Frage nach dem ersten Sex ist aus sexualtherapeutischer Sicht, wie der Sex in der Gegenwart läuft.

Das erste Mal Sex: Was sollte man einfach „geschehen“ lassen?

„Geschehen lassen“ ist beim Sex nie eine gute Idee.

Wenn ich den Partner (oder auch die Partnerin) beim Sex Sachen machen lasse, die ich selbst nicht will, dann vergifte ich damit die Partnerschaft. Denn wenn ich etwas zugelassen habe, was ich aktiv gar nicht wollte, dann stauen sich innerlich Vorwürfe auf- nach dem Motto: Warum war der oder die denn so unsensibel, dass sie nicht gemerkt hat, dass ich gar nicht so weit gehen wollte?
Und so weit sollte es gar nicht erst kommen.

Wichtig ist also: Schlicht und einfach miteinander zu reden, auch in Sachen Sex. Dem Partner oder der Partnerin also schon vorher zu sagen, was man sich erwartet und wo die eigenen Grenzen sind.
Es ist nicht falsch, auch zwischendurch mal nachzufragen: Gefällt dir das so? Magst du das? Sollen wir so weitermachen oder vielleicht noch etwas anderes ausprobieren?

Sex funktioniert dann am besten, wenn beide aktiv mitspielen und sich beide Partner gemeinsam auf Entdeckungsreise begeben!

Wie ist das beim ersten Mal in einer neuen Partnerschaft?

Warum ist man dabei immer noch aufgeregt? Gibt es einen richtigen Zeitpunkt? Was sollte man beachten (Lachen können, Verhütung)?

Klar, wenn es in einer neuen Partnerschaft zum ersten Sex kommt, ist das immer eine aufregende Sache. Schließlich sind beide Partner neugierig, wie da der andere zu einem passt. Möglicherweise kommt auch noch der Wunsch dazu, beim ersten Sex einen tollen Eindruck machen zu wollen (was auch immer das sein soll).

Mein Tipp wäre, da ein bisschen Druck raus zu nehmen. Richtig guter Sex braucht in den meisten Partnerschaften Zeit. Es dauert eben, bis man sich richtig kennengelernt hat, auch auf sexuellem Gebiet. Deshalb sollten beide den ersten Sex in einer neuen Partnerschaft nicht überbewerten. Es ist völlig normal, wenn einer oder beide Partner erst nach ein paar Wochen beim Sex einen Orgasmus bekommen- auch wenn wir in unseren Köpfen vielleicht ein ganz anderes Bild vom feurigen Beginn einer Beziehung haben.

Ob es in einer neuen Partnerschaft gleich beim ersten Date oder erst nach ein paar Wochen zum ersten Sex kommt, hat neueren Studien zufolge keinen Einfluss auf die Dauerhaftigkeit der Beziehung. Deshalb ist es weder sinnvoll, den ersten Sex künstlich hinauszuzögern- und auch nicht, den ersten Sex möglichst gleich beim ersten Date zu erzwingen.

In einer Partnerschaft lernen sich zwei Menschen über kurz oder lang sowieso in all ihren Vorzügen und ihren Nachteilen kennen. Daher lohnt es sich auch nicht, dem anderen irgendetwas beim ersten Sex vorspielen zu wollen.

Wichtig ist allein der Wunsch und die Freude, genau mit diesem Menschen zusammen sein zu wollen: und eine gemeinsame Form des Sex zu entdecken, die beiden Spaß macht.

Dazu gehört natürlich, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Zu guten Sex gehört dazu, dass sich die Partner schon vorher darüber Gedanken machen, wo sie dabei nicht gestört werden und welche Form der Verhütung sinnvoll ist.

Und auch dafür gibt es ein gutes Mittel: einfach offen miteinander zu reden!

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© M.Petery

Wenn Sie dazu Fragen haben, können Sie sich gern an mich wenden.

Dr. rer. biol. hum. Michael Petery
MILF

Vgl. dazu die Artikel

 

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Probleme in der Partnerschaft Sexualtherapie- Fragen, Ablauf, Behandlung, Theorie

Reden über Sex

Reden über Sex-Interview mit Dr. Michael Petery

Reden über Sex- warum halten Sie es aus der therapeutischen Sicht für wichtig, das Thema Sex mit dem Partner bzw. Sexpartner von einer etwas trockeneren Seite anzugehen und zu besprechen?

Wir Menschen sind alle unterschiedlich, nicht nur genetisch, sondern auch durch unsere Erziehung, durch unsere persönlichen Erfahrungen. Das bedeutet: niemand kann davon ausgehen, dass seine Partnerin oder sein Partner bei Sex genau dieselben Vorstellungen haben wie man selber. Und das, obwohl im Zustand der Anfangsverliebtheit die meisten Paare glauben, der andere wäre die 100%-Ergänzung zu einem selbst.

Natürlich kann man eine Menge schönen Sex gemeinsam auch nonverbal und spielerisch herausfinden. Das ist eine großartige Sache, die viel Spaß macht! Trotzdem besteht da die Gefahr, nur durch Spiel und Probieren wichtige gemeinsame Möglichkeiten zu übersehen, was sich durch gemeinsames Drüberreden vermeiden ließe.

Und richtig notwendig ist das Reden dann, wenn es beim Sex Probleme gibt. Mir sind zum Beispiel in meiner Praxis bereits Männer begegnet, die ich gefragt habe, ob Ihre Partnerin beim Sex einen Orgasmus bekommt. Und die dann sagten: Wahrscheinlich ja, aber ich weiß es nicht. Spätestens da wäre es unbedingt angezeigt, miteinander zu reden.

Reden über Sex- inwiefern kann es den Sex verbessern, wenn man darüber spricht?

Den besseren Sex gibt es dadurch, dass sich die beiden Partner besser kennenlernen. Erstaunlich viele Leute haben immer noch das traditionelle Normsex-Konzept im Kopf: Sex funktioniert nach diesem Modell so: der Mann dringt bei der Frau ein, dann dauert der Koitus mindestens 3, aber höchstens 15 Minuten- und die Frau bekommt einen Orgasmus, der Mann bekommt einen Orgasmus, und das war´s.
Diese Art von Sex funktioniert in der Praxis bei den wenigsten Paaren. Es gibt viele Männer und Frauen, die ihren Orgasmus überhaupt nicht beim Koitus bekommen. Und die trotzdem guten Sex haben! Wobei dann der Koitus ein Vorspiel sein kann, das die Erregung aufbaut, und der Orgasmus erst danach stattfindet. Das tut der Zärtlichkeit beider Partner keinen Abbruch.

Da ist es wichtig, die sexuellen Bedürfnisse und Wünsche des anderen Partners zu kennen. Und zu wissen: Genau das ist es, was meiner Partnerin oder meinem Partner gefällt. Wer nicht darüber redet, wird solche Wünsche jenseits des Normsex nur sehr schwer herausfinden.

Erst recht gilt das für etwas ausgefallenere Wünsche wie z.B. die Frage, ob dem/der eigenen Partner/in Fetischkleidung oder Toys im Bett gefallen oder ob BDSM etwas sein könnte, was beiden Spaß macht. So etwas lässt sich mit Sicherheit im Gespräch besser herausfinden als durch den Überraschungsangriff im Schlafzimmer.

Reden über Sex- wo machen Sie zwischen Dirtytalk, Sexting und einem normalen Gespräch über den Sex in der Partnerschaft die Unterschiede fest?

Dirtytalk bedeutet, sich gegenseitig durch eine stark sexualisierte Sprache zu erregen. Sexting meint den Austausch erotischer Nachrichten oder Bilder per Handy.

Das beides sind sexuelle Praktiken, die in den Bereich der Verbalerotik gehören. Dirtytalk und Sexting sind kein Reden über Sex, sondern bereits praktizierte Sexualität. Deshalb ist es wichtig, dass Dirtytalk und Sexting nur im gegenseitigen Einverständnis aller Beteiligten stattfinden- ansonsten wäre das ein sexueller Übergriff ganz ähnlich wie ungefragtes Angrapschen.

Reden über Sex ist eine ganz andere Sache. Vielleicht lässt sich das am besten im Vergleich mit der Planung eines Galadinners vergleichen. Die gemeinsame Planung macht Spass und kann das spätere Festessen erheblich verbessern. Aber die Planung ist noch nicht das Essen selbst. Sexting dagegen kann eine Vorspeise sein und Dirtytalk das passende Gewürz.

Das Reden über Sex kann in diesem Sinne eine Art Vorplanung sein- es kann aber auch zur Nachbesprechung dienen, genauso wie nach dem Galadinner, um es das nächste Mal vielleicht noch anders oder noch aufregender zu gestalten- oder auch um festzustellen, dass es genauso absolut wunderbar gewesen ist.

Ist das Gespräch über den Sex tendenziell eher unsexy?

Das Reden über Sex ist nicht der Sex selbst, genauso, wie das Kochrezept nicht das richtige Essen ersetzt. Aber auch das Reden über Sex kann bereits den Appetit anregen. Insofern kann also auch Reden über Sex durchaus sexy sein.

Wobei haben die meisten ihrer Klienten Schwierigkeiten, wenn Sie ihnen empfehlen über den Sex zu sprechen?

Den meisten Menschen fällt das Reden über Sex schwer, weil wir das in unserer Gesellschaft nie gelernt haben. Auch Paare, die schon viele Jahre miteinander zusammen sind, wissen oft nicht, welche erotische Fantasien der andere beim Sex hat oder ob der/die andere für sich allein gerne masturbiert.

Richtig schwierig wird es, wenn es um besondere Vorlieben wie Fetischismus oder BDSM geht. Da haben eigentlich fast alle Schwierigkeiten, wie sie darüber mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner reden sollen. Häufig ist ein solches Gespräch erst in der geschützten Umgebung einer Paartherapie möglich.

Dabei ist es absolut wichtig, gerade über solche Fantasien und Wünsche zu sprechen, wenn es in einer Beziehung sexuelle Probleme gibt. Nur wenn beide Partner wissen, was den anderen richtig heiß macht, kann sich das Sexleben verbessern.

Nicht in dem Sinne, dass jetzt alles ausgelebt werden muss, was da an Fantasien und Wünschen hochkommt: Bei jedem Paar gibt es immer Vorlieben, die nur der eine mag und der andere gar nicht. Aber ohne das gemeinsame Reden lassen sich neue Gemeinsamkeiten, die beiden gefallen, nur schwer finden.

Wie waren die Erfahrungen ihrer Klienten, nachdem sie es schließlich versucht haben?

Das Reden über Sex kann eine riesige Erleichterung sein. Das gilt übrigens nicht nur für Paare, sondern auch für Einzelklientinnen und -klienten, die in ihrer Therapie das erste Mal zum Beispiel über sexuelle Versagensängste oder sexuelle Zwangsgedanken reden konnten.

Das Reden ist der erste Schritt zu mehr Freiheit, zu mehr Lebensqualität und zu besserem Sex.

Wie äußert man seine Wünsche am besten? Besonders auch ausgefallene Wünsche?

Sinnvoll ist es, bei sexuellen Wünschen die Partnerin oder den Partner nicht mit direkten Fragen zu überfallen, auf die sie oder er nur mit Ja oder Nein antworten kann. Es ist zum Beispiel auch in einer langjährigen Beziehung mit Sicherheit keine gute Idee, aus heiterem Himmel im Schlafzimmer mit einem Paar Handschellen anzukommen und zu sagen: „Ich bin übrigens ein Fan von Bondage. Darf ich dich mal ans Bett fesseln?“ Die Gefahr, dass die oder der andere dann gleich Nein sagt, ist hoch- und sei es nur deswegen, weil es der bzw. dem anderen peinlich ist, so plötzlich und so direkt mit einer solchen Frage konfrontiert zu werden.

Viel besser ist es, das Ganze etwas langfristiger anzugehen und das Thema eher indirekt anzusprechen. Und am besten nicht beim Sex und nicht im Schlafzimmer, sondern vielleicht bei einem gemeinsamen Spaziergang, wo die oder der andere nicht befürchten muss, das diese Wünsche jetzt sofort in Realität umgesetzt werden.

Das könnte etwa so gehen: „Was ich dir von mir schon immer mal erzählen wollte, ist, dass mich die Vorstellung von Bondage und Fesseln ziemlich erregt. Wie geht es dir eigentlich mit dem Thema?“ An der Reaktion des anderen wird dann ziemlich schnell klar, ob das Gespräch weitergehen kann oder nicht. Und auch wenn die oder der andere nicht darüber reden mag, dann hat es zumindest keine definitive Abfuhr gegeben- und vielleicht kommt irgendwann wieder eine neue Gelegenheit, darüber zu reden.

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© M.Petery.
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Dr. rer. biol. hum. Michael Petery

Vgl. auch
mein Interview bei ze.tt Wie sich euer Sex verbessert, wenn ihr öfter drüber redet (Zeit online)
und meinen Beitrag Bedürfnisse beim Sex: Wie rede ich darüber?